Geld und (oder) Liebe

Könnt ihr euch an die Sendung „Geld oder Liebe“ mit Jürgen von der Lippe erinnern, die in den 90er Jahren sehr erfolgreich war? Im Nachhinein stellt sich die Frage: Warum „oder“? Warum nicht beides? Hat das jemals jemand hinterfragt? Das Thema ist tatsächlich komplex, dennoch möchte ich der Frage nachgehen.

„Ich zahle!“

Beim ersten Date zwischen Mann und Frau war es früher gang und gäbe, dass der Herr die Rechnung übernimmt. Es gibt Frauen, die diese Geste immer noch erwarten. Andere wiederum fühlen sich vom Mann bevormundet, wenn er das ungefragt tut. Umgekehrt tritt auch der Fall ein, wenn die Frau für beide die Rechnung begleichen möchte. „Wie man es macht, macht man es falsch?“ Nein. Die einfachste Lösung liegt nahe: darüber gleich zu Beginn reden! Schon bei der Bestellung sollte sich das Paar darüber einig werden, die Rechnung getrennt zu bezahlen. Erwartungshaltung minimiert, Sachlage geklärt. Das Date kann entspannt fortgeführt werden. Doch es fühlt sich für viele Menschen anfangs ungewohnt an, so offen über Geld zu sprechen. Und da kommen wir auch direkt zum Knackpunkt: Warum tun wir uns so schwer damit?

Jüngere Menschen reden offener über Geld

Erstaunlicherweise sprechen 80 Prozent der unter 30-Jährigen offen über ihr Einkommen. Der Durchschnitt liegt bei 56 Prozent. Je älter die Befragten, desto weniger gerne sprechen sie über Finanzen. Dies hat eine Kantar-Studie aus dem Jahr 2021 ergeben, die die Postbank in Auftrag gegeben hat. Zudem kam heraus, dass für 70 Prozent der Deutschen Geld ein Tabuthema ist. In einer anderen Studie scheint lediglich Sex privater zu sein als die eigenen Finanzen.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4464/umfrage/themen-ueber-die-kaum-gesprochen-wird

Wieso ist Geld so ein schambehaftetes Thema?

Diese Frage kann nicht einfach und klar beantwortet werden. Ein Versuch: Es hat viel mit unserer Sozialisierung und kulturellen Aspekten zu tun, die je nach Land variieren können. Die alten Sprichwörter „Über Geld spricht man nicht“ oder „Bei Geld hört die Liebe auf“ haben sich im Laufe der Zeit zu hartnäckigen Glaubenssätzen entwickelt. Wir sollten das dringend ändern, denn Paare, die über Geld sprechen, sind zufriedener und trennen sich seltener. Finanzielle Probleme gehören zu den häufigsten Scheidungsgründen.

Im Buch „Macht und Liebe“ wird die Rolle des Geldes in der Ehe tiefergehend beleuchtet. Die Autorin und Familientherapeutin Betty Carter hat viele Paare betreut und „die goldene Regel“ definiert: Wer das Geld (Gold) hat, hat auch die Macht, und wer diese hat, bestimmt auch die Regeln. Das hat katastrophale Auswirkungen auf die Partnerschaft.

Ein typisches Beispiel

Lena und Stefan lernen sich kennen, als beide frisch im Berufsleben angekommen sind. Lena ist Projektmanagerin in einer Agentur, Stefan Programmierer in einem Großunternehmen. Sie ziehen zusammen, heiraten und wählen Steuerklasse IV. Dann kommt das erste Kind, Emma. Lena nimmt zwölf Monate Elternzeit und Stefan zwei Monate. Emma kommt mit 14 Monaten zu einer Tagesmutter, die aber nur bis 15 Uhr betreut, weshalb Lena beschließt, in Teilzeit 20 Stunden die Woche zu arbeiten. Da Stefan zwischenzeitlich die Karriereleiter hochgestiegen ist, wechseln sie in das Steuerklassenmodell III und V – das kontrovers diskutierte Ehegattensplitting (es ermöglicht verheirateten Paaren in Deutschland, ihre Einkommen gemeinsam zu veranlagen, was oft zu einer niedrigeren Steuerlast führt, da das Gesamteinkommen des Paares in eine günstigere Steuerklasse fällt). Somit ist das Gehalt von Lena gerade hoch genug, um die Haushalts- und variablen Kosten zu übernehmen. Um alles andere kümmert sich Stefan, der weiter die Karriereleiter erklimmt. Lena stagniert nicht nur in ihrer Karriere, sondern auch bei ihrem Gehalt. Lena und Stefan trennen sich nach rund zehn Ehejahren. Da die unbezahlte Care-Arbeit von Lena getragen wurde, konnte Stefan dank ihrer Unterstützung sein Gehalt während der Ehe verdoppeln.

Wie kommt es zu unglücklichen Beziehungen?

„Frauen arbeiten. Männer akkumulieren.“ So bringt es Emilia Roig in ihrem Buch „Das Ende der Ehe“ auf den Punkt. Geld entspricht keinem Naturgesetz. Geld ist Energie, und wir weisen ihm einen Wert zu. Ist etwas teuer, scheint es wertvoller zu sein. Kostet es wenig, verliert es in unseren Augen an Wert. Wenn Lena weniger Geld verdient und die höheren steuerlichen Abzüge das Gehalt auch noch weiter reduzieren, beeinflusst das ihr Selbstwertgefühl. Es kann sich für sie demütigend anfühlen, so viel weniger zu verdienen als Stefan. Die entstandene finanzielle Abhängigkeit kann zu einer bedrückenden Falle für sie werden. Dazu können etwaige Schuldgefühle kommen, dem Partner auf der Tasche zu sitzen (was natürlich Unsinn ist, da die meisten Frauen für ihre Care-Arbeit nicht entlohnt werden!). Wir verbinden mit Geld meist Wertschätzung. Ohne diese fühlen wir uns abgewertet, und unser Selbstwertgefühl sinkt mit der Zeit ins Bodenlose.

Erstrebenswerte Gleichberechtigung

In einer monogamen Partnerschaft hat jede Person das Bedürfnis nach Autonomie und nach emotionaler Bindung. Wenn sich ein Paar findet, sind anfangs beide Personen für gewöhnlich gleichberechtigt. In unserer Gesellschaft verändert sich die Gewichtung spätestens bei der Eheschließung massiv. Begünstigt wird dies durch das Ehegattensplitting. Vor allem in Konstellationen wie im vorangegangenen Beispiel fallen Paare häufig in traditionelle Rollenmuster. Den autonomen Männern wird somit die Macht übertragen und den Frauen die Verantwortung der emotionalen Bindung. Beste Voraussetzungen für eine dysfunktionale Beziehung. Denn „ein reifes Individuum braucht sowohl Bindungsfähigkeit als auch Autonomie“ (Betty Carter).

Finanzielle Abhängigkeit führt häufig dazu, dass der gegenseitige Respekt verloren geht und Liebe zu einer Verpflichtung wird.

Die Beziehungsinvestorinnen Marielle und Mike Schäfer haben Liebe und Geld ein ganzes Buch gewidmet, das den Titel „Love & Money“ trägt. In ihrem Blog geben sie folgende Tipps:

  1. Miteinander kommunizieren
  2. Die eigenen Werte leben
  3. Wünsche und Bedürfnisse erkennen und leben
  4. Gegenseitige Stärken und Schwächen anerkennen und umsetzen
  5. Aushalten, dass der Lieblingsmensch Dinge anders umsetzt
  6. Regelt eure Finanzen mit einem Ehe- oder Partnerschaftsvertrag

Das hört sich vielleicht umständlich an, ist es aber nicht. Es gibt immer mehr Paare, die Gleichberechtigung erreicht haben. Am häufigsten schaffen das tatsächlich lesbische Paare, die nicht dem konventionellen Muster einer Ehe verfallen, sich ihren Gefühlen stellen, darüber reden und Gleichberechtigung erlangen.

Vor allem offen über Geld zu sprechen, ist die beste Möglichkeit, unausgeglichene Beziehungen zu überwinden. Indem wir die Rolle des Geldes in unserer Beziehung verstehen und ausbalancieren, schaffen wir Raum für die freie Entfaltung der Liebe.

Quellen:
https://www.postbank.de/unternehmen/medien/postbank-pressedienst/kurzmeldungen/geld-ist-tabu-oder.html
https://www.businessinsider.de/karriere/arbeitsleben/ranking-das-sind-die-11-haeufigsten-gruende-fuer-scheidungen-2019-2/
https://beziehungs-investoren.de/do-and-dont-geld-beziehung/

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