Konsum im Wandel: Warum wir kaufen, was wir kaufen

Müllhalde

Unser Konsumverhalten trägt maßgeblich zur Zerstörung der Umwelt bei – eine Tatsache, die wir nicht länger ignorieren können. Doch lohnt es sich, weiterzulesen? Auf jeden Fall. Denn wenn wir verstehen, warum wir tun, was wir tun, können wir auch zur Veränderung bewegt werden. Klingt einfach? Ist es auch – zumindest theoretisch. Der Rest liegt bei euch, also lasst uns jetzt abtauchen und über unser Konsumverhalten reden.

„Ich brauche dringend dieses Buch!“ – „Brauchst du es tatsächlich, oder möchtest du es nur gerne haben?!“ Meine Freundin verdreht die Augen und ist ein wenig genervt. Ich muss schmunzeln. Solche Dialoge führen bei meiner Freundin häufig zu leichtem Unmut, doch sie toleriert es – meistens. Bei anderen bin ich weniger übergriffig, wenn es um die Bewertung des Konsumverhaltens geht – es sei denn, sie möchten in Coachingsessions freiwillig darüber sprechen. Denn das persönliche Konsumverhalten scheint oft eine intime Angelegenheit zu sein. Beleuchtest du es, könnten charakterliche Defizite wie mangelnde Selbstbeherrschung oder unreflektierte Verschwendungssucht ans Licht kommen. Wer kennt sie nicht: Fehlkäufe! Es ist mir noch kein Mensch begegnet, der nicht zumindest einmal auf eine Marketingmasche hereingefallen ist. Oder ein Abo vergessen und nicht genutzt hat. Oder einen reuevollen Spontankauf getätigt hat, der jetzt in den Untiefen des Kleiderschranks vor sich hinsiecht. Doch warum konsumieren wir überhaupt, und woher kommt das?

Konsum im Rückblick

Unser Konsum hat – wie alles auf unserer Welt – eine spannende und vielfältige Historie. In seinem Buch „Herrschaft der Dinge“ geht der Autor und Historiker Frank Trentmann dem Konsum auf den Grund. Wer dachte, unser Konsumverhalten entspringe einem natürlichen und intuitiven Bedürfnis, wird literarisch eines Besseren belehrt. Wirtschaft und Politik beeinflussen seit jeher maßgeblich, welche Güter sich im Alltag etablieren. Ein gutes Beispiel dafür ist der von der Kolonialisierung beeinflusste Tee- oder Kaffeekonsum in verschiedenen Ländern. In England setzte sich durch die asiatischen Kolonien der Tee durch. Es kann eben nur das konsumiert werden, was auch zur Verfügung steht: Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Technologischer Fortschritt und kulturelle Entwicklungen haben maßgeblich zum Aufstieg des Konsumismus beigetragen.

Eine weitere Entwicklung, die sich in den letzten 200 Jahren ungesund beschleunigt hat, ist der Wandel unserer Produkte von der natürlichen zur geplanten Obsoleszenz. Es war früher selbstverständlich, dass Menschen ihre Güter so lange verwendeten, bis sie abgenutzt waren. Während massive Holzmöbel früher mehrere Generationen überdauerten, werden günstige und noch funktionstüchtige Pressholz-Bücherregale schnell auf den Sperrmüll verbannt, sobald sie den geschmacklichen Vorlieben nicht mehr entsprechen. Dies wird als psychologische Obsoleszenz bezeichnet. Noch deutlicher zeigt sich das im Umgang mit Kleidung. Fast Fashion ist hier das Stichwort. Aus bewussten Verbraucherinnen sind wir zu unreflektierten Konsumentinnen mutiert.

Warum kaufen wir?

Wer shoppt, wird von unserem Gehirn mit Dopamin belohnt. Zwar löst dies kurzfristige Glücksgefühle aus, doch wer nicht achtsam bleibt, gerät schnell in die Gefahr einer Kaufsucht. Unser Gehirn ist zwar ein hochkomplexes und faszinierendes Konstrukt, aber wenn es um die Befriedigung von Bedürfnissen geht, eher einfach gestrickt. Es möchte uns auf dem einfachsten Weg Glücksgefühle ermöglichen – so oft wie möglich. Und eine Möglichkeit ist das Shoppingerlebnis. Das ist heutzutage so einfach wie nie zuvor. Die Pandemie hat das Online-Shopping weiter normalisiert und trotz Lockdown samt geschlossener Läden das Kaufen ermöglicht. Soziale Medien stellen diesbezüglich eine besondere Gefahr dar, denn sie erhöhen die Dopamindosis, wenn neben Likes und News auch noch trendige Artikel passend zum Algorithmus erworben werden können. Der Konsum dient nämlich auch als angenehme Ablenkung, wenn unangenehme Lebensumstände wie dunkle Wolken auf dem Gemüt lasten. Und angesichts von Krieg, Klimakrise und anderen Sorgen finden sich genug Gründe, um die Flucht in den digitalen Dopaminkick anzutreten.

Konsum ist Lifestyle – oder Gegenbewegung?

Soziale Medien beschleunigen diese besorgniserregende Entwicklung. Produkte werden nicht mehr wegen ihres Nutzens gekauft, sondern danach, wie „instagramable“ sie sind. Marken emotionalisieren ihre Produkte, transportieren Lebensgefühle und Träume mit Begriffen wie „Wellness“ oder „pure“ und setzen auf pastellige Farben und starke Adjektive wie „kraftvoll“ oder „frisch“. Viele Profis in Marketingabteilungen stecken ihre Expertise in die Psychologie des Kaufverhaltens, um Zielgruppen bis ins Detail zu analysieren.

Gleichzeitig wächst eine Gegenbewegung: Underconsumption Core. Hierbei geht es um bewussten Verzicht auf überflüssige Güter. Menschen setzen verstärkt auf Minimalismus und den Rückzug von exzessivem Konsum. Statt immer mehr zu kaufen, hinterfragen sie ihre Bedürfnisse und streben danach, nur das Nötigste zu besitzen. Dieser Trend, der durch soziale Medien ebenfalls eine Plattform findet, zeigt, dass Konsum nicht mehr nur als Zeichen von Wohlstand gilt, sondern dass weniger oft mehr ist.

Kaufsucht ist keine banale Sucht und kann Menschen in existenzielle, problematische Lagen bringen. Manchmal entsprechen die Betroffenen nicht den Bildern, die wir aus dem Trash-TV kennen, wo Wohnungen bis zur Decke mit Krempel zugemüllt sind. Oft verstecken sich Süchte hinter Vorlieben und Hobbys – etwa einer seltenen Plattensammlung, limitierten Sneakermodellen oder Fantasy-Büchern in allen Sondereditionen.

Weitreichende Folgen

Die Auswirkungen unseres Konsumismus sind weitreichend und gravierend. Wir jagen Trends und neuer Technik hinterher und verbrauchen unsere Ressourcen, als wären sie unendlich. Den meisten von uns ist nicht ausreichend bewusst, wie bedeutend unsere Rolle als Konsumentinnen ist. Billige Onlinehändler wie Temu und Shein stehen zu Recht stark in der Kritik. Durch die absurd niedrigen Preise werden wir dazu verführt, Dinge zu kaufen, die wir höchstwahrscheinlich nicht dringend brauchen. Die Auswirkungen sind verheerend und werden massiv unterschätzt.

„Konsumgüter haben nicht nur einen monetären, sondern auch einen moralischen, sozialen und ökologischen Preis“,

schreibt Carl Thillessen in seinem Buch Konsum.

Je räumlich entfernter die Situation und differenzierter die Kultur, desto geringer die Anteilnahme, und das schlechte Gewissen bleibt stumm. Dabei sollte es brüllen. Die unwürdigen Herstellungsbedingungen und Hungerlöhne bei 100-Stunden-Wochen sind beispiellos. Um auf diese prekäre Lage aufmerksam zu machen, wurde eine Plattform ins Leben gerufen, die moderne Sklaverei sichtbar macht. Ich empfehle euch sehr, diese Seite zu besuchen, um selbst herauszufinden, wie viel menschenunwürdige Arbeit in unserem täglichen Leben steckt: Slavery Footprint.

Ich möchte nicht darauf hinaus, dass wir alle aufhören sollten, einzukaufen. Ich selbst weiß, wie schwierig ein Umdenken ist. Es ist aber nicht unmöglich. Die Klimakrise ist eine gemeinschaftliche Herausforderung, und nur gemeinsam können wir diese monumentale Aufgabe bewältigen. Bewegungen wie Minimalismus, Zero Waste und Trends wie Underconsumption Core regen dazu an, unser Konsumverhalten zu überdenken. Eine radikale Kehrtwende ist zwar unwahrscheinlich, doch ein schrittweises, nachhaltiges Umdenken liegt durchaus in unserer Reichweite. Ein achtsamerer und nachhaltigerer Umgang mit unserem Geld ist der Anfang. Und wenn wir weniger konsumieren, bleibt am Ende mehr Geld zum Investieren und zur Absicherung unserer Zukunft – eine nachhaltigere Lösung, die langfristig sowohl unserer Gesellschaft als auch der Umwelt zugutekommt.

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