Mehr Diversität in der Finanzwelt, bitte!

Die Finanzbranche ist immer noch sehr männlich geprägt. Das ist durchaus sehr bedauerlich. Denn dass das weiblichere Mitwirken förderlich und bereichernd ist, haben viele Studien inzwischen auch belegen können. Lasst uns gemeinsam diese Diskrepanz ein bisschen genauer betrachten.

Wichtig: In diesem Artikel schreibe ich von Frauen und Männern und meine dabei alle Menschen dazwischen und außerhalb!

Feminismus ist kein Kampfbegriff

Mein Onkel wollte kürzlich meiner Tochter beim Aussteigen aus dem Auto behilflich sein. Sie bedankte sich, wollte aber seine Hilfe nicht. Er kam auf mich zu und sagte „Wächst da etwa auch so eine Feministin heran?!“ Ich verstand nicht, aber meine erste Reaktion war: „Ähm ja, ich hoffe es sogar. Was meinst du aber mit so eine?!“ Und dann ging es los.

Ihr solltet dazu wissen, dass mein Onkel ein gebildeter, humorvoller aber auch recht diskussionsfreudiger und rechthaberischer Typus ist. Ich hätte ihn auch als modern und durchaus feministisch bezeichnet. Was aber danach folgte, ließ mich zweifeln.

„Diese Feministinnen, die Männer hassen und sich auf gar keinen Fall von einem Mann helfen lassen wollen. Sich ständig unterdrückt fühlen und man nicht mehr weiß, was man sagen darf und was nicht.“

Uff. Ich kenne diese Debatten und für gewöhnlich kann ich inzwischen einschätzen, mit welchen Menschen ich gerne in diesen Diskurs gehe und bei welchen ich lieber in den Energiesparmodus gehe. Heißt, ich nicke und bringe kurz zum Ausdruck, anderer Meinung zu sein, aber doch lieber jetzt übers Wetter reden möchte – nein, nicht über die Klimakrise.

In seiner Abwehrhaltung habe ich das erkannt, was ich häufiger erlebe. Unsicherheit, Unkenntnis und die Unfähigkeit einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Beim Feminismus geht es doch gar nicht darum Männer von der Bildfläche verschwinden zu lassen oder aus dem Patriarchat ein Matriarchat zu machen. Es geht um intersektionale Gleichberechtigung. Einfach nur um gleiche Rechte, gleiche Chancen und Begegnungen auf Augenhöhe. Das Frauen sich vor Gericht nicht mehr das Gehalt erkämpfen müssen, was ihre männlichen Kollegen bei gleichwertiger Arbeit und Position schon bekommen. Das Frauen sich nicht mehr zwischen Karriere und Familie entscheiden müssen. Das Frauen in Vorständen nicht mehr wegen einer Quote einen Platz bekommen. Das und vieles mehr, sollte in einer gleichberechtigten Gesellschaft ganz selbstverständlich ist. Davon sind wir nun aber noch weit entfernt.

Ich bin Feministin. Und das sage ich erst seit neuerer Zeit mit einem gewissen Selbstbewusstsein und klarem Standing. Und der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen: ich mag auch Männer! Früher kategorisierte ich Feministinnen als männerverabscheuende Emanzen, weil ich es auch nicht besser wusste. Und da haben wir wieder den Punkt, dass Unwissenheit zu Angst und Angst zu Vorurteilen und Vorurteile zu Ablehnung abdriften kann. Das habe ich nun verstanden. Ebenso, dass wir noch so unfassbar weit weg von der Gleichberechtigung sind, obwohl viele denken, dass wir schon so weit gekommen sind und jetzt entspannter an die Sache rangehen können. Spoiler: das ist falsch! An dieser Stelle möchte ich gerne allen Menschen das Buch von Alexandra Zykunov „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ empfehlen, wo eben solche Annahmen zerlegt und eindeutig als „Bullshitsätze“ identifiziert werden.

Diversität als Chance betrachten

Könnt ihr euch noch an den Film „Wolf of Wall Street“ erinnern? Eine Schar von Ego-getriebenen krankhaft ehrgeizigen Männern jagen dem großen Geld hinterher. Oder auch der andere bekannte Film über die Finanzwelt zu den Zeiten der Immobilienblase „The Big Short“.  Oder „Wall Street“ aus dem Jahre 1987. Wenn ihr die Augen schließt und euch alle Protagonisten vorstellt, seht ihr was? Genau! Männer. Und hier knüpfen wir direkt mal an.

Das wir derzeit einen gewissen Diskurs bezüglich der Priviligien (alter) weißer Cis-Männer führen, ist wohl niemanden entgangen. Auch nicht, dass alle anderen, die nicht zu dieser Menschengruppe gehören, die Nase voll von Diskriminierung haben.

Ich werde in diesem Artikel kein weiße-alte-Männer-Bashing betreiben – also mit dem Finger auf die bösen Buben zeigen, die allen anderen Menschen das Leben erschweren oder halt auch nicht erleichtern möchten. Schwarz-Weiß-Denken ist zu eintönig und vertieft die Kerben zwischen den Lagern bzw. Geschlechtern. Dazu will ich mit diesem Artikel nicht beisteuern. Gegenseitiges Verständnis und eine gewisse Aufklärung von Begrifflichkeiten und systematischen Strukturen können uns nachhaltig vorwärtsbringen. Die meisten von uns sind schon gewillt, ein Teil der Veränderung zu sein. Für manche ist es eine aufregende Freude und für andere eine heillose Überforderung. Ich kann all die beruhigen, denen es nicht schnell genug geht (den meisten Frauen) und auch die, die sich scheinbar ausgegrenzt fühlen (einige Männer). Wir befinden uns mitten in einem Prozess. In diesem Prozess werden wir viele Grautöne entdecken. Ja, es kann sich unangenehm und bevormundend anfühlen aus der gewohnten Struktur herausgelockt zu werden. Das ist der Lauf der Dinge und da müssen wir nun alle durch, damit sich eine hoffentlich gute Balance in einigen Jahrzehnten einpendelt. Sozusagen sich eine Symbiose zwischen allen Geschlechtern einstellt. Wir werden viele Hürden überwinden müssen, die uns jetzt noch zu hoch und umständlich vorkommen, damit alle, die nach uns kommen, einen geebneten Weg vorfinden können. Einen Weg auf der Gleichberechtigung keine Ausnahme, sondern ein Normalzustand ist.

Was hat der Feminismus nun mit Finanzen zu tun?

Seitdem ich das Thema Finanzbildung für FLINTA* als emanzipatorische Aufgabe in mein Leben gebracht habe, habe ich mich automatisch mehr und mehr mit der eigentlichen Frage beschäftigt, warum Geld weiblicher bzw. diverser werden sollte. Ein grundlegendes Problem ist, wie schon eingangs angeteasert, die fehlenden Vorbilder in der Finanzbranche. Jede:r von uns hat schon höchstwahrscheinlich von Warren Buffet gehört. Aber weißt du auch, wer Muriel Siebert war? Sie war Börsenmaklerin, Managerin und Gründerin und wurde 1967 als erste Frau Mitglied der New York Stock Exchange (NYSE). Sie hat dort als einzige Frau zusammen mit 1.365 Männern gearbeitet. Als starke Persönlichkeit setzte sie sich für Gleichberechtigung ein und ebneten den Weg für weitere Frauen in der Finanzbranche.1

Die Astronautin Sally Ride sagte mal in einem Interview mit dem Harvard Business Review im Jahr 2012: „Junge Mädchen brauchen Vorbilder in allen Berufen, für die sie sich entscheiden könnten, damit sie sich vorstellen können, diese Berufe eines Tages selbst auszuüben. Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann.

Die Finanzbranche ist nach wie vor ein männerdominierter Sektor und wie es häufig so ist trauen sich entsprechend wenig Frauen in ein Metier, wo sie weniger auf ihresgleichen treffen. Vor allem gilt es zu bedenken, dass Frauen lange eine Finanzkompetenz abgesprochen wurde. Ist dir bekannt, dass erst 1958 das Gesetz über die Gleichberechtigung von Frau und Mann eintrat? Davor durfte die Frau ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns kein eigenes Bankkonto eröffnen! Und dazu muss erwähnt werden, dass die erste Frau das Gesetz erst 1962 in Anspruch nahm. Zudem die angebliche Mathephobie, die allen Mädchen und Frauen angeboren zu sein scheint… Obwohl das längst überholt und widerlegt wurde, ganz aus den Köpfen scheint es nicht revidiert worden zu sein. Das könnte auch ein Grund dafür sein, weshalb sich weniger Frauen karrieretechnisch in die Finanzwelt wagen. Geld hat mit Zahlen zu tun, somit muss Frau auch mathematisch glänzen. Muss sie tatsächlich nicht! Mathematik ist immer förderlich, aber nicht so viel mehr, wie in anderen Branchen auch.

Zum Glück gibt es diesbezüglich einen Aufschwung. Immer mehr Frauen besetzen auch die höher liegenden Etagen in der Finanzbranche, wobei die Dysbalance noch immer unumstritten ist.

Deswegen braucht es Vorbilder! Vorbilder zeigen, was für uns alles möglich wäre. Umso mehr Frauen sichtbarer werden desto mehr Frauen finden den Mut aus dem Schatten zu treten und die sozialisierte feminine Bescheidenheit abzustreifen. Es ist wichtig über diese Frauen zu sprechen, die es bis nach oben geschafft haben, um die Finanzbranche diverser zu gestalten. Denn das es sehr förderlich ist, eine größere Vielfalt einzubringen, zeigt eine IMF-Studie2 aus dem Jahre 2018: „Banken mit einem höheren Anteil an weiblichen Vorstandsmitgliedern wiesen höhere Kapitalpolster, einen geringeren Anteil an problematischen Krediten und eine höhere Stressresistenz auf.“ Die Studie leitete daraus Hypothesen ab, die die möglichen Gründe sein könnten, warum ein höherer Anteil von Frauen in Bank- und Aufsichtsräten zur Finanzstabilität beitragen können:

  • Frauen sind möglicherweise bessere Risikomanager als Männer;
  • Diskriminierende Einstellungspraktiken können dazu führen, dass die wenigen Frauen, die es an die Spitze schaffen, besser qualifiziert sind oder mehr Erfahrung haben als ihre männlichen Kollegen;
  • Mehr Frauen in den Vorständen tragen zu einer Vielfalt des Denkens bei, was zu besseren Entscheidungen führt; und
  • Einrichtungen, die dazu neigen, Frauen für Spitzenpositionen zu gewinnen und auszuwählen, werden möglicherweise von vornherein besser geführt.

Zudem belegen auch mehrere Studien, dass Frauen ein gutes Händchen für Investments haben. Sie treffen häufiger bessere Anlageentscheidungen als Männer3. Ein Wehmutstropfen ist die Tatsache, dass weibliche Anlegerinnen viel zögerlicher sind und viel weniger Geld in die Hand nehmen als männliche Anleger. Dabei haben es Frauen viel nötiger mehr Geld zurückzulegen. Stichwort: Altersarmut und Gender Pension Gap. Die Zurückhaltung wird auch in der Wahl der Investments sichtbar, denn Frauen legen ihr Geld lieber in Fonds/ETFs und wesentlich seltener in Aktien. Ob das am fehlenden Mut oder an einer wohlüberlegten Strategie liegt, ist noch nicht ergründet. Ich würde tendenziell zur zweiten Annahme tendieren, denn meine weiblichen Mitmenschen gehen gerne mit viel Wissen gewappnet, vorbereitet und strategisch an ihre Geldinvestitionen. Manchmal lenkt ihr Hang zum Perfektionismus sie auch in die Irre, aber daran arbeiten wir. Das wird auch dadurch deutlich, dass die Finfluencerinnen und Finanzcoachinnen, wie Pilze aus dem Boden sprießen, wobei dies auch differenziert betrachtet werden sollte.

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