Finanzen als Machtinstrument

Geld kann ein Mittel der Freiheit sein, doch zu oft wird es zu einem Instrument der Kontrolle. Finanzielle Gewalt ist eine leise, oft unsichtbare Form des Machtmissbrauchs, die in vielen Beziehungen eine Rolle spielt. Sie fängt schleichend an, bleibt lange unbemerkt und kann Betroffene in Situationen großer Abhängigkeit und Ohnmacht bringen. Ich beleuchte, wie finanzielle Gewalt entsteht, welche Auswirkungen sie hat und warum sie ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft ist. Gleichzeitig teile ich meine persönlichen Erfahrungen und die meiner Klientinnen, um aufzuzeigen, wie wichtig finanzielle Eigenständigkeit und Aufklärung sind.

Was ist finanzielle Gewalt?

Finanzielle Gewalt ist eine Form des Machtmissbrauchs, bei der finanzielle Mittel dazu genutzt werden, Abhängigkeiten zu schaffen oder Macht auszuüben. Sie kann sich in subtilen oder offensichtlichen Verhaltensweisen äußern, darunter:

  • Verweigerung von Einblick in finanzielle Unterlagen
  • Kontrolle und Hinterfragung von Ausgaben
  • Einschränkung des Zugangs zum Familieneinkommen
  • Nutzung von Geld als Druckmittel
  • Zwang zur Übernahme von Schulden oder Krediten
  • Verhinderung von Erwerbstätigkeit

Häufig merken die Betroffenen erst zu spät, wie ihnen geschieht. Die Auswirkungen sind gravierend: finanzielle Instabilität, emotionale Belastung und im schlimmsten Fall die Unfähigkeit, aus der Situation zu entkommen. Denn finanzielle Gewalt führt oft dazu, dass Betroffene — Frauen und Männer gleichermaßen — aus toxischen Beziehungen nicht fliehen können. Das Gefühl der Ohnmacht und Machtlosigkeit überwältigt, und die Überforderung mit der Situation macht es schwierig, sich zu befreien.

Was mich dabei besonders schmerzt, ist die Tatsache, dass viele Frauen Jahre oder sogar Jahrzehnte in unglücklichen und toxischen Beziehungen verharren. Die ausweglose Erscheinung ihrer Situation hindert sie daran, ihr eigenes Potenzial zu erkennen und die Möglichkeiten wahrzunehmen, die ihnen helfen könnten, auszubrechen. Oft sind es Scham, mangelnde Kenntnisse über ihre Optionen oder auch fehlende Informationen zu Hilfsangeboten, die sie in dieser Lage gefangen halten. Es ist so traurig zu sehen, wie viele Frauen ihre Energie und Träume opfern, weil ihnen die Wege und das Wissen fehlen, um ihre Situation zu ändern.

Finanzielle Abhängigkeit als Vorstufe: Ein Blick auf meine Erfahrungen

Ich habe selbst keine finanzielle Gewalt erlebt, doch meine Geschichte zeigt, wie schleichend finanzielle Abhängigkeit entstehen kann — und wie sie eine Vorstufe zu Missbrauch sein kann. Mein damaliger Mann verdiente wesentlich mehr als ich, und wir entschieden uns für das Ehegattensplitting und die Steuerklassen 3 und 5. Diese Entscheidung brachte uns kurzfristig mehr Geld, doch langfristig brachte sie mich in eine Abhängigkeit.

Während der Elternzeit mit unseren zwei Kindern gab ich die finanzielle Verantwortung komplett ab. Mein Mann zahlte die Fixkosten, sparte etwas und verwaltete unser Geld. Ich hatte keinen genauen Überblick über unsere Finanzen und teilte auch nicht mit, wofür ich mein Geld ausgab. Diese Dynamik war keine bewusste Entscheidung meines Mannes, um mich in eine Abhängigkeit zu drängen. Vielmehr kannten wir beide die alternativen Modelle nicht gut genug und sprachen auch nicht darüber — ich wehrte mich sogar gegen das Thema. Rückblickend erkenne ich, wie sehr ich selbst die Verantwortung abgab, was es meinem Partner noch schwerer machte, mich als gleichwertige Sparringspartnerin zu sehen.

Nach unserer Trennung wurde mir klar, wie wichtig finanzielle Eigenständigkeit ist. Es war ein schmerzhafter Lernprozess, der mich letztlich motivierte, eine Ausbildung zur Finanzcoachin zu machen. Heute helfe ich anderen Frauen, alte Muster zu durchbrechen und finanzielle Kontrolle zu gewinnen. Doch ich weiß aus eigener Erfahrung: Es ist ein langer Weg, der Mut, Geduld und viel Reflexion erfordert.

Finanzielle Gewalt: Ein strukturelles Problem

Die Tragweite finanzieller Gewalt wird oft unterschätzt. Dabei zeigt sich, dass finanzielle Abhängigkeit häufig strukturell bedingt ist. Frauen leisten nach wie vor den größten Teil der unbezahlten Care-Arbeit, wie Studien belegen. Der Gender Care Gap (der Unterschied in der Zeit, die Frauen und Männer für unbezahlte Care-Arbeit aufbringen) liegt aktuell bei 43,8 Prozent. Dies verstärkt bestehende ökonomische Ungleichgewichte und schafft ein Machtgefälle innerhalb von Partnerschaften.

Ein besonders drastisches Beispiel aus meiner Coaching-Praxis: Eine Klientin gab ihren Beruf auf, um sich um die Kinder und den Hausbau zu kümmern, während ihr Partner karrierebedingt häufig unterwegs war. Sie waren unverheiratet, und das Haus wurde auf den Namen ihres Partners eingetragen. Nach über zehn Jahren verfügt sie weder über eine Altersvorsorge noch über einen rechtlichen Anspruch auf das Haus. Sie hat keinen Zugang zu den Finanzen und ist im Falle einer Trennung finanziell schutzlos. Ihr Partner kontrolliert die Ausgaben, und selbst für den alltäglichen Bedarf muss sie sich rechtfertigen. Diese Dynamik ist keine Ausnahme.

Für viele Frauen in ähnlichen Situationen ist der Weg heraus erschreckend unklar. Die Scham, finanziell auf Unterstützung angewiesen zu sein, und das Gefühl, in einer ausweglosen Lage zu stecken, halten sie gefangen. Hinzu kommt, dass es an Informationen über Hilfsangebote oder an praktischen Anlaufstellen mangelt. Diese Frauen fühlen sich oft unsichtbar in ihrer Not — und das darf nicht so bleiben.

Was können wir tun?

Um finanzielle Gewalt zu bekämpfen, müssen wir das Thema enttabuisieren und für die Problematik sensibilisieren. Hier einige Ansätze:

  • Unterstützung anbieten: Wenn du eine betroffene Person kennst, sprich das Problem an und biete Hilfe an.
  • Dokumente sichern: Betroffene sollten wichtige Unterlagen wie Kontoauszüge und Verträge kopieren und an einem sicheren Ort aufbewahren.
  • Finanzielles Wissen aufbauen: Bildung ist ein Schlüssel, um Unsicherheiten zu überwinden. Finanzielle Bildung sollte niederschwellig zugänglich sein.
  • Professionelle Hilfe suchen: Finanzcoaches und Beratungsstellen können wertvolle Unterstützung bieten.

Auch politisch ist es notwendig, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Das beginnt mit einer fairen Verteilung von Care-Arbeit und reicht bis zu einem stärkeren rechtlichen Schutz für unverheiratete Partnerinnen, die Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen. Finanzielle Bildung sollte zudem schon in Schulen vermittelt werden, um jungen Menschen früh ein Bewusstsein für ökonomische Selbstbestimmung zu geben.

Ein Appell an die Gesellschaft

Finanzielle Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem. Es bedarf umfassender Aufklärung und struktureller Veränderungen, um Frauen wirtschaftlich zu stärken. Wir alle tragen Verantwortung: durch Gespräche, durch Bildung und durch Solidarität mit Betroffenen.

Mein Appell: Sprecht über Geld, fordert Transparenz und unterstützt euch gegenseitig. Finanzielle Unabhängigkeit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit — für jede von uns. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass niemand in einer ausweglosen Lage verharren muss.de Muster zu durchbrechen, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Geld nicht länger ein Werkzeug der Ungleichheit ist, sondern ein Mittel zur Förderung von Gleichberechtigung. Meine eigene Reise zeigt, dass dieser Weg herausfordernd ist, aber auch ungemein lohnend und befreiend sein kann.

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