Du möchtest dich für den Ruhestand finanziell absichern, planst eventuell den Kauf einer Immobilie oder möchtest schlicht Geld anlegen. Typische geschlossene Fragen von Finanzberatenden wären etwa: „Wie hoch ist dein Einkommen“, „Hast du Ersparnisse?“, „Wie lautet dein Familienstand“, „Wann möchtest du in den Ruhestand gehen?“ Bereits in diesem Punkt unterscheidet sich der Finanzcoach vom Finanzberater, nämlich: Wonach wird gefragt? Und: Was ist überhaupt das Ziel des Gesprächs? Für eben gestellte Fragen braucht es Zahlen, Daten, Fakten. Denn nur auf Grundlage dieser Angaben kann die Finanzberatung kompetente Lösungsvorschläge anbieten. Diese Beratenden unterteilen sich in die, die eine Honorarberatung oder die eine konventionelle Provisionsberatung anbieten.
Der Unterschied liegt in der Unabhängigkeit und vor allem in den Folgekosten. Über den Verkauf von Produkten erhält der:die Finanzberater:in seine:ihre Provision oder als Honorarberater:in ein Honorar. Die Finanzberatenden handeln nicht ehrenamtlich. Das ist legitim, denn sie müssen auch ihre Brötchen verdienen. Der große Unterschied liegt in der Transparenz. Inzwischen gibt es einige Finanzberatende, die ihre Provisionszahlungen offenlegen, was vertrauenserweckender ist. Honorarberatende hingegen werden für ihre jeweilige Tätigkeit bezahlt. Sie arbeiten unabhängig von Anbietern und haben einen stärkeren Fokus auf deine individuellen Bedürfnisse.
Was ist nun Finanzcoaching?
In der konventionellen Finanzberatung werden zu häufig Faktoren ausgelassen, die uns als Menschen ausmachen. Und zwar die psychologischen. Auch wenn wir denken, dass wir rational handeln und aufgrund von Zahlen, Daten, Fakten fundierte Entscheidungen treffen möchten, lassen wir die Tatsache außen vor, dass wir zu 80 Prozent intuitiv handeln. Sobald sich eine Entscheidung anbahnt, läuft der intuitive Denkprozess unterbewusst ab. Er berücksichtigt einerseits Zahlen, Daten und Fakten, andererseits aber auch Wissen und Erfahrungen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Aus den Daten und Fakten entsteht Interpretation, die sich in einem Gefühl ausdrückt.
So spielen Ratio (Zahlen, Daten, Fakten), die Intuition (die Summe aller gemachten Erfahrungen) und unsere Emotionen eine Rolle. Auf der Ebene der Ratio arbeitet die Finanzberatung. Für nachhaltige und psychologisch gefestigte Entscheidungen müssen die zwei zusätzlichen Ebenen (Intuition und Emotionen) einbezogen werden. Hier setzt das Finanzcoaching an.
Im Coaching arbeite ich mit Methoden und offenen Fragen, um dich bei der Zielerreichung zu begleiten. Die Stärkung deiner Ressourcen liegt dabei im Fokus. Durch die Gespräche wirst du zur Selbstreflektion angeregt, um deine Situation mitsamt einhergehender Blockaden oder Ängste bewusst zu werden. Als Finanzcoachin gebe ich dir Feedback, rege dich an, ermutige und befähige ich dich im Entscheidungsprozess zu deinen optimalen Handlungsalternativen – ohne dabei konkrete Produktempfehlungen zu geben. Die Coaching-Prämisse lautet daher, dass du die Lösung für dein Problem schon durch deine eigenen Ressourcen und Potenziale mitbringst. Du verfügst über Paradigmen, die mithilfe eines Finanzcoachs erforscht oder angepasst werden, damit du zu eigenständigen Lösungen kommst. Dich zu befähigen, setzt eine nachhaltige Selbstwirksamkeit in Gang. Diese hilft dabei, zukünftige finanzielle Entscheidungen gelassener und fundierter auf allen Ebenen zu treffen.
„Der Berater tritt als Experte auf, er sammelt Informationen, verarbeitet diese, steuert das Gespräch mit seinen Fragen und liefert die Lösung“, sagt Diplompsychologin und Master Certified Coach Monika Müller. Im Gegensatz dazu nimmt ein Finanzcoach eine andere Rolle ein: „Er ist gewissermaßen der Sparringspartner seines Gegenübers. Er unterstützt dabei, das eigene Denken anzuregen. Er bietet keine Lösung an, sondern arbeitet völlig ergebnisoffen. Die Lösung muss aus dir selbst kommen“, fasst die deutsche Finanzcoach-Pionierin zusammen.
Coachwashing
Ebenso wie die Bezeichnung „Journalist“ ist auch „Coach“ nicht geschützt. Heißt, jede und jeder kann sich Ernährungscoach:in, Businesscoach:in oder halt Finanzcoach:in nennen, ohne vorher eine Ausbildung absolviert oder gar eine Zertifizierung erreicht zu haben. Dass das problematisch ist, zeigt sich am Beispiel von großen, produktunabhängigen Strukturbetrieben wie der DVAG, wo offensiv damit geworben wird, dass Finanzcoach:innen den Kundinnen und Kunden bei der Anlageberatung zur Seite stehen. Aus Marketingperspektive macht das für diese Anbieter natürlich Sinn. Auf diese Weise klingt es gleich moderner und vertrauenswürdiger.
Allerdings wirkt die Bezeichnung hier irreführend und birgt einige Gefahren für die Hilfesuchenden. Zum Beispiel die falsche Erwartungshaltung. Wer tatsächlich auf der Suche nach einer umfassenden Finanzbegleitung ist, wird stattdessen von einer Finanzberatung zu Produktkäufen verführt, für die es meist hohe Provisionen gibt. Denn genau da liegt der größte Unterschied: Ein richtiger Finanzcoach wird zu keinem Zeitpunkt Produkte verkaufen wollen.
Echte Finanzcoaches
Zertifizierte Finanzcoaches, wie sie beispielsweise Monika Müller ausbildet, arbeiten honorarbasiert und unabhängig. Dabei werden in anderthalb Jahren und noch länger tiefe Kenntnisse über die Coachingarbeit im Allgemeinen und Finanzen im Speziellen vermittelt. Selbst zahlreiche Finanzberaterinnen und Finanzberater nehmen diese Ausbildung mittlerweile in Anspruch, um ihre Kundinnen und Kunden ganzheitlicher in ihren finanziellen Entscheidungen begleiten und unterstützen zu können.
In diese Richtung wird sich die gesamte Finanzberatung weiterentwickeln, da es sich um einen holistischen Ansatz handelt, der nicht nur die Ratio des Kunden adressiert sondern auch Emotionen und Erfahrungen. Und die machen uns als Menschen erst aus.